
von Gastautorin Katie Kruse
An einem sonnigen Maitag, einem derart unbesonderen Tag, von dem ich nichts anderes erwartete als das altbekannte Auf- und Untergehen der Sonne mit dem Lückenfüller namens Alltag zwischendrin, kam ein Brief in mein Postfach. Er war nicht größer oder kleiner als ein normaler Brief, das kleine Fenster war weder glänzend noch matt, und er gab mir keinerlei Hoffnung, dass er anders als jeder andere Brief sein würde, den ich in Deutschland bekam. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wie besonders dieser Brief war.
Nur der Stempel in der oberen rechten Ecke war auffällig, der Stempel meiner Bezirksverwaltung in Steglitz/Zehlendorf, welcher auf einen offiziellen Ursprung hinwies. Da ich in den letzten Wochen viele solcher Briefe bekommen hatte, alle zur anstehenden Europawahl, erregte er nicht wirklich meine Neugier. Nein, es war kein besonderer Brief. Nur… naja, acht Monate bevor ich diesen scheinbar alltäglichen Brief bekam hatte ich mich für die deutsche Staatsbürgerschaft beworben. Und fünf Monate vor diesem sonst ereignislosen Tag hatte ich das Zertifikat für meinen bestandenen, gefürchteten Einbürgerungstest abgeschickt.
Könnte das der Brief sein?
Wichtige Details fielen mir auf. Natürlich, wenn dieser Brief etwas mit der Europawahl zu tun hätte, dann sollte doch ein Zweiter für meinen Mann dabei sein. Nur gab es keinen zweiten Brief.
Ich nahm den Brief schnell mit rein. Kurz dachte ich darüber nach, einen Brieföffner zu suchen, da offizielle Dinge ein bisschen Pomp und Zeremonie verdienen. Ganz nach Murphys Gesetz gab es aber keinen Brieföffner, weswegen meine Hände ausreichen mussten. Vorsichtig öffnete ich den Brief, da ich das Risiko, den Inhalt zu zerstören, nicht eingehen wollte. Ich nahm das doppelt gefaltete A4-Blatt raus und entfaltete es methodisch.
Fünf ganze Minuten starrte ich fassungslos auf das Papier; mein Blick kam nicht von dem fett gedruckten, nichtssagenden, aber ergreifenden Wort Einbürgerungsverfahren, zusammen mit dem Datum und der Zeit meines Termins, weg. Meine Augen ließen mich in diesem wichtigen Moment im Stich – ich las Wörter, aber in meiner Aufregung verstand ich nichts davon. Jedoch, lieber Leser, lass es gesagt sein, dass ich, acht Monate nachdem ich den Erstantrag abgeschickt hatte, fünf Monate nachdem ich das letzte Puzzleteil, das Zertifikat für meinen bestandenen Einbürgerungstest, meinem hoffnungsvollen Antrag beifügte, endlich den prophezeiten Brief in der Hand hielt. Von nun an würde ich eine doppelte Staatsbürgerin Großbritanniens und der Bundesrepublik Deutschlands sein.
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