
„Mir wurde ein geniales Arbeitsangebot für eine Vollzeitstelle in Deutschland unterbreitet, aber sie wollen mich als Freiberufler engagieren.“
Dies ist nicht immer auf böse Absichten zurückzuführen, aber wenn Ihr Unternehmen Ihnen in Deutschland eine Vollzeitstelle anbietet, Sie jedoch als Freiberufler Rechnungen stellen müssen, anstatt von diesem angestellt zu werden, dann hat es nicht Ihre besten Interessen im Auge. Es sei denn, die Personalabteilung hat einfach keine Ahnung, wie das Beschäftigungsgesetz in Deutschland funktioniert. Jedenfalls kann dies Ihrem Unternehmen und Ihnen später ernstzunehmende Probleme bereiten.
Was ist Scheinselbstständigkeit?
Die Begriffe Scheinselbstständigkeit oder arbeitnehmerähnliche Selbstständigkeit beziehen sich auf ein Arbeitsverhältnis zwischen zwei Parteien. Und zwar geht es um eine Arbeitsbeziehung zwischen Ihnen als „Freiberufler“ und Ihrem Klienten, im Rahmen derer Sie offiziell auf freiberuflicher Basis arbeiten, aber die Tätigkeit vielmehr einer Beschäftigung ähnelt. Dieses Verhältnis kann als „Scheinselbstständigkeit“ oder „arbeitnehmerähnlich“ gewertet werden, wenn Sie die ersten beiden (sowie möglicherweise einige weitere) Bedingungen erfüllen, die weiter unten aufgelistet sind.
Anzeichen für Ihre „Scheinselbstständigkeit“
- Sie stellen eine einzelkaufmännisch, selbstständig tätige Person dar (entweder ein Freiberufler oder ein „Gewerbe“) UND
- Sie haben über einen langen Zeitraum (z. B. über ein Jahr) nur einen Klienten oder
- Ihr Umsatz hängt zu mehr als 83,3 % von einem Klienten ab.
Andere Anzeichen (diese können bei der Betrachtung des großen Ganzen berücksichtigt werden):
- Sie arbeiten hauptsächlich in den Büros von einem Klienten.
- Sie zahlen keine gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge (beispielsweise sind Sie privat krankenversichert).
- Ihr Klient bestimmt Ihre Arbeitszeiten.
- Sie tragen eine Uniform.
- Sie haben Visitenkarten, auf denen Ihr Name und das Logo Ihres Klienten aufgedruckt sind.
- Sie haben eine interne E-Mail-Adresse in dem Unternehmen Ihres Klienten wie z. B. kathleen@myclient.com.
- Sie nehmen an Mitarbeiterversammlungen teil.
- Ihr Klient beschäftigt Mitarbeiter, die ähnliche Arbeiten wie Sie verrichten.
- Sie haben Zugriff auf Verwaltungsunterlagen und Einsicht in innere Abläufe des Unternehmens, die Freiberuflern normalerweise vorenthalten werden.
Was könnte passieren?
Es könnte sein, dass niemals etwas passieren wird. Falls Sie jedoch nach dem Gesetz für „scheinselbstständig“ oder „arbeitnehmerähnlich“ befunden werden sollten, kann das gesetzliche Rentenversicherungssystem in Deutschland (Deutsche Rentenversicherung, DRV) von Ihnen verlangen, dass Sie für den gesamten Zeitraum, in welchem das besagte Arbeitsverhältnis bestanden hat, Ihre Rentenversicherung und/oder Ihre Sozialbeiträge rückwirkend leisten müssen (mit einer Rückwirkung von bis zu 5 Jahren). Dies würde 18,9 % Ihres Einkommen entsprechen, es sei denn, Sie zahlen die Hälfte und Ihr Arbeitgeber zahlt die andere Hälfte. Autsch! Darüber hinaus könnte sie auch Ihren Arbeitgeber dazu ermahnen, Ihre Sozialversicherungsbeiträge rückwirkend zu begleichen. Sie kann Ihren Arbeitgeber sogar dazu zwingen, Sie anzustellen. Hier steht nicht nur jede Menge Geld auf dem Spiel, sondern Sie können sich auch von dem guten Arbeitsverhältnis mit Ihrem Klienten verabschieden, von dem Sie zu mehr als 83 % abhängig waren.
Aber mein Klient befindet sich im Ausland.
Es ist wahr, dass die DRV einen ausländischen Klienten nicht dazu ermahnen kann/wird, Sozialversicherungsleistungen zu zahlen, aber sie kann Sie trotzdem als „arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen“ klassifizieren und von Ihnen verlangen, dass Sie in die deutsche Rentenkasse einzahlen. Die DRV schaut sich jedoch zunächst auch andere Faktoren an, bevor sie Ihnen dieses Etikett verpasst: z. B. ob Sie einen Studienabschluss benötigen, um die Art von Arbeit auszuführen, die Sie für Ihren Klienten verrichten. Zu dem Urteil zu kommen, dass Sie „arbeitnehmerähnlich selbstständig“ sind, ist wahrscheinlicher, wenn Sie eine Arbeit verrichten, die eine Qualifikation voraussetzt.
Bleiben Sie ruhig und machen Sie weiter.
Vergessen Sie nicht, dass es zunächst einmal unwahrscheinlich ist, dass Sie jemals von der DRV kontaktiert und als „scheinselbstständig“ oder „arbeitnehmerähnlich selbstständig“ eingestuft werden, solange Sie nicht darauf Wert legen sollten, die DRV selbst zu kontaktieren (z. B. aus einem anderen Grund), oder jemand sich dazu entschließt, Sie oder Ihren Arbeitgeber zu verpetzen.
Wie gehe ich nach Vorschrift vor?
Hier sind einige Optionen, wie Sie sicherstellen können, dass Sie und Ihr Arbeitgeber aus dem Schneider sind.
- Finden Sie einen weiteren Klienten und beziehen Sie von diesem mindestens 17,8 % Ihrer Einnahmen.
- Vergewissern Sie sich, dass der Vertrag, den Sie gemeinsam mit Ihrem Arbeitgeber unterschreiben, wie ein Dienstvertrag aussieht:
- Der Klient schreibt nicht Ihre Arbeitszeiten vor.
- Sie können Arbeit nach Belieben annehmen oder ablehnen.
- Sie müssen nicht die Zustimmung des Klienten einholen, wenn Sie für andere Klienten tätig sein möchten.
- Stellen Sie einen Mitarbeiter an. Die Klassifizierung der Scheinselbstständigkeit findet nur auf einzelkaufmännische Selbstständige Anwendung. Einen Mitarbeiter zu beschäftigen, würde das Problem also lösen.
- Beantragen Sie innerhalb von 3 Monaten nach Beginn des Arbeitsverhältnisses für die ersten 3 Jahre eine Freistellung von der Einzahlung in die DRV. Da Sie diesbezüglich mit der DRV Kontakt aufnehmen müssen, sollten Sie jedoch beachten, dass Sie verpflichtet werden, in die Rentenkasse einzuzahlen, sollten Sie sich drei Jahre später noch immer in diesem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis mit Ihrem Klienten befinden.
- Verhandeln Sie mit Ihrem Arbeitgeber, damit dieser Sie einstellt, anstatt Sie als Freiberufler zu engagieren.
Beachten Sie bitte auch, dass dieses Arbeitsverhältnis sich ebenfalls auf die Art des von Ihnen benötigten Aufenthaltstitels sowie dessen Erteilung auswirken kann. Um mehr darüber zu erfahren, können Sie ein Skype-Coaching mit mir vereinbaren.
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